EQUINOX


Ihre inspirierende Quelle findet die 1962  in Brisbane geborene Künstlerin Sue Hayward in den unendlichen Geschichten über den menschlichen Zustand und insbesondere in der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt. Sie ist in Australien aufgewachsen, wo sie eine besondere Affinität für die Natur entwickeln konnte. Pflanzen, Tiere und insbesondere Vögel benutzt die Künstlerin häufig in ihrer Arbeit als Symbole der verschiedenen Aspekte des menschlichen Ausdrucks. Oft beschäftigt sie sich mit Verlust und der Sehnsucht nach Einheit, die sich etwa in der Natur manifestiert.

Hayward arbeitet in verschiedenen Medien, Skulptur, Installationen und vor allem Malerei, wo sie versucht, neue Dimensionen der Wahrnehmung und Bildsprache zu schaffen, indem sie transparente Bereiche in die Leinwand einarbeitet. Die Verwendung von Gaze, in die Oberfläche des Bildes eingefügt, ermöglicht die Schaffung transparenter Elemente und so entsteht eine neue Art von Bildraum, in dem Licht und Schatten auf eine völlig andere Weise als von der Deckkraft der Leinwand verarbeitet werden. 

Eine zweite Schicht, die im Rahmen des Farbträgers ein paar Zentimeter hinter dem Transparenten angebracht ist, erzeugt eine optische Verschiebung der dargestellten Figuren oder Flächen, die von der jeweiligen Position des Betrachters abhängt. So wird eine dynamische Dreidimensionalität erzeugt, die fotografisch nicht zu vermitteln ist und persönlich erfahren werden muss. Der Raum zwischen diesen beiden Schichten gewinnt an Bedeutung und vermittelt den vorübergehenden, schwer fassbaren Aspekt des menschlichen Zustandes.So findet einerseits die transiente, flüchtige Natur des Daseins ihren Ausdruck, und andererseits wird die Position des Betrachters in Frage gestellt und neu definiert.

Den Farbauftrag hat Sue Hayward über einen längeren Zeitraum entwickelt. Sie stellt eine Spachtelmasse (Malbutter) aus Bienenwachs und Dammar her, die mit Pigmenten oder Ölfarben gemischt und in vielen Schichten meistens mit dem Spachtel aufgetragen wird. Durch die Beimischung von Wachs wirkt die Farbe matt und sehr haptisch, auch weil sie immer wieder abgekratzt und erneut aufgetragen wird. Die eher gröbere bemalte Fläche setzt sich deutlich von der transparenten Ebene ab und verleiht den Figuren eine besondere Zartheit und Verletzlichkeit.


Die ganz oder teilweise transparenten Figuren oszillieren zwischen dem physisch Kompakten und dem negativen Volumen, ohne dabei an ästhetischer Präsenz zu verlieren, denn die Transparenz öffnet den Blick des Betrachters auf das, was sich hinter dem Bild befindet, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne: Wir werden zu einem Äquivalent von Alice hinter dem Spiegel.

Gerhard Charles Rump, 2019

Copyright Fotos Lea Gryze



Enquiry